Lazarowicz, Werner, (1873-1926), Architekt

Geboren am 22.05.1873 auf dem Gut Sigmundshof in der Provinz Westpreußen., gestorben in Peking 28.04.1926.  Besuch der Schule in Elbing, dann der Hochschule in Danzig. Ausbildung zum Bautechniker.

Als das Deutsche Reich im Jahre 1898 in China an der Bucht von Kiautschou ein Gebiet für 99 Jahre pachtet, um dort einen Flotten- und Handelsstützpunkt einzurichten, ergeben sich logischerweise große Bauaufgaben (Hafenbau, Eisenbahnbau, Städtebau). Das Gebiet untersteht dem Reichsmarineamt und für die zukünftige Bauabteilung wirbt es im Frühjahr 1898 um Personen vom Baufach, die bereit sind, beim Bau der neuen Stadt Tsingtau mitzuwirken. Lazarowicz ist 25 Jahre alt und bewirbt sich für die Hochbauabteilung des Gouvernements in Tsingtau. Er ist der erste von dieser Abteilung, der (zusammen mit Prüß),  in Tsingtau eintrifft (am 16.6.1898). Eigentlich hätte sein zukünftiger „Chef“, der Berliner Stadtbaumeister Max Knopff, gleichzeitig mit ihm ankommen müssen. Dieser war aber noch in Deutschland erkrankt und musste später abfahren, er kam erst am 3.8.1898 an. Eine der ersten ganz wichtigen Baumaßnahmen war die Errichtung eines Lazaretts. Man kann davon ausgehen, dass Lazarowicz, der bald den Spitznamen „Lazarus“ hatte, bei der Errichtung aktiv beteiligt war, denn im 1. Adressbuch Tsingtaus mit dem Stand vom 15.1.1901 wird vom „Techniker Lazarowicz“ als Adresse angegeben: Bürobaracke beim Lazarett“. Im März 1901 bestand er eine Prüfung, unter der Leitung der Regierungsbaumeister Gromsch, Born und Bernatz, als Technischer Sekretär (DAW 15, 03.03.1901).

Er wird dadurch in der Hochbaudirektion neben dem Regierungsbaumeister Karl Strasser der zweite Mann und bleibt es mit diesem zusammen bis 1914. Erst als Strasser 1912 den Titel: Intendantur- und Baurat erhält,  ändert sich auch Lazarowicz’s Titel 1913 zu: Intendantur- und Bausekretär. Gewohnt hat L., der nie geheiratet hat, bis 1914 in dem Haus Lazarettweg 4 (Pingyuan Road),  das offensichtlich eine Dienstwohnung des Gouvernements war.

Obwohl Bauakten und Bauzeichnungen der Tsingtauer Hochbauabteilung in großem Umfang erhalten sind (jetzt im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg), ist aus ihnen nur selten zu erkennen, welcher Mitarbeiter welche Entwürfe gemacht hat. Der monatliche Bericht wird meistens pauschal von Strasser unterschrieben. Nur in einem Fall ist die Sachlage eindeutig: für den Bau der neuen Residenz des Gouverneurs am Signalberg wird 1905-07 eine Unterabteilung gebildet, als deren Leiter L. eingesetzt ist. Seine technischen Mitarbeiter sind die Architekten Fritz Biber und Paul Hachmeister. Zwar gibt es mehrere Vorentwürfe anderer Architekten, aber der endgültige Bauentwurf der Residenz stammt von L.  Er hat dann auch die Bauleitung. Diese Residenz ist Lazarowicz’s  „Meisterstück“, sie ist heute Museum und von den Touristen viel besucht. Christoph Lind, der schon als Student der Kunstgeschichte eine Magisterarbeit über dieses Haus verfasst hatte, hat in seiner Dissertation (1998, S.156-68) eine endgültige Beschreibung und Analyse dieses Bauwerks gegeben.

Dass L. hin und wieder auch auf dem privaten Sektor tätig war, darüber gibt ein Zeitungsbericht Auskunft über die Eröffnung des Tsingtau Clubs im Oktober 1911. Der Bauentwurf stammt von Curt  Rothkegel, aber die Kiautschou-Post, Okt. 1911, S. 241, schreibt dazu: „Rothkegels Entwurf wurde jedoch nach den Angaben des Herrn Lazarowicz, der sich durch seine Beaufsichtigung des Baues den Dank der Klubmitglieder in hohem Maße erworben hat, den hiesigen Bedürfnissen entsprechend, wesentlich umgestaltet. Der weitaus größte Teil der Inneneinrichtung ist von den hiesigen chinesischen Tischlerfirmen Ho Sing ki und An Tschang nach den überaus geschmackvollen Plänen und Zeichnungen des Herrn Lazarowicz angefertigt worden.“

Als im August 1914 der Krieg mit Großbritannien und dann Japan begann, konnte L. als Ganzinvalide sich nicht an der militärischen Verteidigung beteiligen. Seine Kollegen von der Hochbauabteilung: Strasser, Hachmeister, Biber wurden nach dem 7. Nov. in die Gefangen-schaft nach Japan gebracht, da sie bei der Verteidigung mitgewirkt hatten, wenn auch nur im Landsturm oder in der Landwehr. L. dagegen konnte nach der Besetzung durch die Japaner als Zivilist Tsingtau verlassen. Auf Bitten seines Freundes, des Architekten Curt Rothkegel, der in Peking eine Baufirma hatte, ging L. dorthin und wurde Compagnon in dieser Firma, die während des Krieges 1914-20 von Frau Rothkegel weitergeführt wurde. Rothkegel selbst hatte als Pionieroffizier an der  Verteidigung Tsingtaus mitgewirkt und war bis Anfang 1920 in japanischer Gefangenschaft. Über L. schreibt Frau Rothkegel in ihren Aufzeichnungen: „Er war sehr kunstsinnig und als Beamter nicht gewöhnt zu rechnen, was aber für ein Geschäft unablässig ist. Es dauerte ein volles Jahr bis wir beide uns ‚eingebissen’ hatten, denn ich wollte gemäss der Arbeitsweise meines Mannes alles weiterleiten“.

Anfang 1920 kam Rothkegel aus der japanischen Gefangenschaft zu seiner Frau und den zwei Söhnen nach Peking zurück. Lazarowicz schied daraufhin aus der Firma Rothkegel & Co. aus und gründete zusammen mit seinem Tsingtauer Kollegen Paul Hachmeister ein eigenes Architekturbüro. Es wurde dann noch eine Filiale in Mukden gegründet, so dass Hachmeister  sich hauptsächlich in Mukden aufhielt. Er war als Techniker von ca. 1904 bis 1914 in der Hochbauabteilung des Tsingtauer Gouvernements beschäftigt gewesen, musste aber wie Rothkegel die Zeit von Nov. 1914 bis Anfang 1920 in japanischer Kriegsgefangenschaft verbringen.

Über die Persönlichkeit des Lazarowicz erfährt man einen kleinen Eindruck aus der Schilderung von Paul Wilm in seiner Autobiographie: „Damals“. Er kam 1924 aus Deutsch-land als Agrarfachmann nach Peking zu seinem Onkel, Herrn Eggeling. Wilm schreibt (S.29):

„Onkel Bob [Eggeling] hatte nur morgens wirklich Zeit für mich. Chinesische Herren, die direkt oder indirekt mit den chinesischen Ministerien zu tun hatten, beanspruchten ihn besonders auch in den Abendstunden mit Bankgeschäften höherer Kategorie, speziell Regierungsanleihen für Eisenbahnbau. Dafür ging Herr Hermann Schmidt gerne in den Deutschen Klub. Zu diesem nahm er mich mit und machte mich bei anwesenden Mitgliedern bekannt. Der Deutsche Klub befand sich in einem größeren chinesischen Anwesen in der Chin Yue Hutung — Goldfischgasse. Die Mitglieder saßen an einer langen Tafel, tranken Bier und unterhielten sich miteinander. Wie ein Vorsitzender saß an der Spitze der Tafel auf einem besonders großen Stuhlsessel eine geradezu gewaltige Gestalt, der Architekt Herr Lazarowicz. Ebenso gewaltig wie seine Gestalt war seine tiefe Stimme. Er begrüßte mich mit den Worten: „Wo bleibt denn Ihr Onkel? Der läßt sich hier ja kaum noch blicken.“ — „Der hat viel zu tun.“ war meine Antwort. „Das sollte er lieber nicht übertreiben.“ war sein Kommentar. Herr Hermann Schmidt stellte mich dann dem derzeitigen Klubvorsitzenden, Herrn Walther Frey, ebenfalls Architekt, vor und damit war ich als Mitglied akzeptiert. Noch ein dritter Architekt war anwesend, Herr Basel, der Partner von Herrn Frey. Dieser zeigte mir auch die anderen Klubräume, Lesezimmer, Bibliothek und Spielstube, in welch letzterer man sich ungestört dem Domino-, Madschong- oder Kartenspielen widmen konnte. Diese Räume wurden auch, besonders nachmittags, von den Damen der Klubmitglieder bevölkert. Erzählen möchte ich noch, dass in der warmen Jahreszeit häufig die abendliche Tafelrunde bzw. Bierrunde in einen der Höfe des Klubanwesens verlegt wurde. Auch hier erlebte ich Herrn Lazarowicz als Quasivorsitzenden am Kopfende der langen Tafel. Einmal war es so warm, dass man viel trinken musste. Wenn Herr Lazarowicz dann ein Glas geleert hatte, warf er es mit Schwung über seine Schulter hinter sich. Er erfreute sich und andere am Geräusch der zerklirrenden Gläser. Niemand fand das außergewöhnlich, und manchmal folgten auch andere seinem Beispiel. Lazarus, so wurde er gelegentlich genannt, starb übrigens etwa ein halbes Jahr später an Herzversagen. In keinem der vielen Sarggeschäfte Pekings war für seine gewaltige Gestalt ein fertiger Sarg zu finden. Es musste einer maßgeschreinert werden.“

Am 28.04.1926 ist Werner Lazarowicz in Peking gestorben. Auch sein Compagnon Paul Hachmeister ist später in Peking verstorben.