Die Repatriierung von Tsingtau- und Tsinan-Deutschen im August 1947 auf der „General Black“.

Verfaßt von Wilhelm Matzat, Bonn

Im Sommer 1947 wurde es bekannt, daß die Amerikaner weiterhin die Nanking-Regierung drängten, China-Deutsche zu repatriieren. Die chinesische Regierung machte mit, zumal es sie nichts kostete. Die Amerikaner, in ihrem zelotenhaften Eifer, übernahmen ja die gesamten Transportkosten. Immerhin wurden die zu Repatriierenden rechtzeitig informiert – mit vielen Ausnahmen, wie wir sehen werden. Sie erhielten von der Deutschen Nothilfe folgendes Schreiben:

Rundschreiben No. 42/47 Tsingtau, 2.August 1947

An alle Reichsdeutschen!

1. Die folgenden Namen stehen noch auf der von Nanking ausgegebenen Repatriierungsliste:

Familie Carl Ahrens Frl. Gertrud Janisch (sie war Österreicherin)
Familie Gustav Ahrens (Shanghai) Familie Friedrich Klicker
Familie Wilhelm Bälz Familie Carl Löwenstein (Taiyuan)
Familie Richard Bock Familie Dr. Karl Ludwig
Familie Heinrich Dietsch Familie Rudolf Müller
Herr Günther Düsing u.Sohn Hermann Herr Karl Reichel (Changsha)
Familie Bruno Frinke Familie Dr. Helmut Schwabe
Herr Carl Geschke Herr Walter Sperber
Herr Anton Hirsch Herr Dr. Hans Wallmüller
Prof. Franz Hübotter ferner:
Familie Otto von Alemann Herr David Kiesow
Familie Anatol Malsch

2. Die folgenden Namen wurden von uns aufgegeben für den Anschluß an die vorgesehene Repatriierung:

Ludmilla von Bergmann Erich Jungmann (aus Tsinan)
Elisabeth Imhoff (aus Tsinan) Agnes Leupold und Sohn Klaus (aus Tsinan)
Elsbeth Kroemer (NI) Karl und Martha Schäfer (aus Tsinan)
Heinrich Schläger Rosalie Schulze
Hermann Vorkauf
ferner die Österreicher: Josef und Charlotte Kruta u.Sohn Ralph Otto Teuschel (aus Tsinan)

Wir bitten um die Heimatadressen für 1) und 2): Ort, Provinz, Zone. Das maximal mitzunehmende Gepäck dürfte 150 kg pro Person, das maximal mitzunehmende Bargeld US $ 100.- betragen, Kinder die Hälfte. Deutsche Nothilfe TSINGTAU

Aus der Liste ist zu ersehen, daß die Gruppe 1) zwangsweise, also gegen ihren Willen, repatriiert werden sollte, während die Gruppe 2) anscheinend freiwillig mit nach Deutschland fahren wollte, da die meisten von ihnen wohl mittellos waren. Sie hätten ja keine Reisekosten, die Amerikaner bezahlten alles. Den zwangsweise zu Repatriierenden stand das Recht zu, beim Bürgermeister von Tsingtau, Li Hsien-liang, ein Gesuch um Rückstellung von der Liste einzureichen. Viele taten dies und erhielten offenbar, zumindest indirekt, den Hinweis, daß sie daraufhin nicht repatriiert würden.
In den Akten des amerikanischen Generalkonsulates von Tsingtau, die ich in den National Archives in Washington,D.C., einsehen konnte, fand ich einige Dokumente, die erhellen, was bis zum Abflug nach Shanghai am 28.August 1947 sich hinter den Kulissen abgespielt hat. Aus jenen geht hervor, daß die chinesische Seite, vertreten durch des Bürgermeisters Sekretär Samuel Li, der für das Ausländeramt zuständig war, die Angelegenheit recht locker nahm, während das U.S.Konsulat der Hauptdrahtzieher war, vertreten durch Generalkonsul Spiker, Konsul Richard Service und Vizekonsul Hein. Bürgermeister Li selbst hielt sich ganz bedeckt und ließ die drängenden Amerikaner lange Zeit abwimmeln mit der üblichen Ausrede: „Der Bürgermeister ist nicht da, wir wissen nicht wo er ist, wir können ihn nicht finden“ usw.

Am 22.August wurde es nun ernst. Die Amerikaner erhielten die Anweisung, daß die zu Repatriierenden spätestens am 25. August in Shanghai zu sein hätten, während die Betroffenen davon noch gar nichts erfuhren (oder doch?). Das Tsingtauer Konsulat meldet am 22.8. an das Shanghaier U.S. Generalkonsulat die Namensliste, wie sie oben in Teil 1 des Rundschreibens der Deutschen Nothilfe wiedergegeben ist, mit kleinen Abweichungen. Hatte es dort geheißen: Herr Dr.Wallmüller, so steht auf der amerikanischen Liste: „Hans Wallmüller, 61 Jahre, Ehefrau Magda, 55 J. und Sohn Robert, 27 Jahre“. Dabei sind Frau Wallmüller und Sohn seit mindestens 8 Jahren nicht mehr in Tsingtau! Auch Erich Jungmann, 70 Jahre, obwohl zur Gruppe 2) gehörig, wird erwähnt, zusammen mit seiner chinesischen Ehefrau Wang Teh-ming, 39 Jahre. Fernerhin heißt es in dieser Liste, daß einige Personen gar nicht in Tsingtau sind: Familie Gustav Ahrens ist in Shanghai, David Kiesow in Tsinan, W.Klahn ist anscheinend schon 1940 nach Deutschland gegangen(!), Friedrich Klicker ist in kommunistischer Gefangenschaft, seine Familie aber in Tsingtau; Heinrich Kliebenstein, 57 Jahre, aus Tsinan, soll sich bei den Klickers aufhalten; Carl Löwenstein ist Berater bei General Yen Hsi-shan in Taiyuan, Prov. Shansi, seine Familie aber in Tsingtau; Karl Reichel in Changsha, Hunan; Helmut Schwabe sei vor kurzem in Taiwan gewesen als Berater bei Chen Yi in der Regierung, jetzt aber wahrscheinlich in Shanghai; Anatol und Tamara (von) Malsch sind nach Auffassung der chines.Verwaltung Sowjetrussen; außerdem seien Friedrich Schirmer und Heinrich Woltemade in Tsingtau, über ihre Personalien sei noch nichts bekannt.

Mehrere Memoranden des Tsingtauer U.S.Konsulates haben festgehalten, was sich in den 48 Stunden vom 23. bis 25. August 1947 abgespielt hat. Sie sollen hier wörtlich wiedergegeben werden, in Kursivschrift. Bei dem im Text erwähnten „Fonoff“ handelt es sich um das chinesische Foreign Office, also Außenministerium in Nanking.
American Consulate General, Tsingtao, Saturday, August 23, 1947.

M E M O R A N D U M

Subject: German Repatriation from Tsingtao

Consul General Spiker, Vice Consul Hein and I (R.Service) commenced work on above subject (in connection with Conf. telegram from ComNavWesPac specifying departure of repatriates from Tsingtao at 0900 Aug 25) at about 2:30 this afternoon. After some difficulty I contacted Sam Lee at the International Club, and sent a car for him. In the meantime we received and commenced deciphering the U.S.Embassy’s telegram of Aug. 23, 8 a.m. (urgent). I made up a brief summary of points to take up with Sam Lee, taken from the Navy telegram, and discussed them with him after his arrival.
We went over list of Germans. Lee told me that this morning Mayor had received telegram from Fonoff, instructing him to arrange for travel of German’s by boat to Shanghai, to arrive there not later than Aug. 25 (sic). Lee said that Mayor had decided that only those would be sent who had made no petition for permission to remain; that is, those who had not petitioned would go. He marked on our list those who had petitioned, and they were: Bälz, Bock, Dietsch, Frinke, Hübotter, Kiesow, Ludwig, Müller and Wallmüller. He then listed those to go as the following numbers on the original list: 1 Carl Ahrens, 3 von Alemann, 7 Düsing, 9 Geschke, 10 Hirsch, 12 Janisch, 15 Klicker family, 19 von Malsch (whose Soviet citizenship is not recognized), 23 Sperber, 25 Jungmann and Woltemade (from Shanghai). He told me that Schirmer, reported to be in Tsingtao from Shanghai, had returned to there August 12. Lee was sent in the car to try to find the Mayor.
Lee telephoned several times after his visit, and he said that he had been unable to locate the Mayor, but that he was holding a committee meeting on this matter in his office with police officials, etc. He said that the Garrison Commander’s secretary had telephoned to state that the Garrison Commander would see the Mayor this evening to arrange for Düsing to be removed from the list; later he said that Düsing was off the list, in compliance with instructions from the Garrison Commander, General Ting. Once when checking the list he stated that the Klicker family would not go, although he had listed them when he was at this office (see above).

I told Lee that this office desired to know the exact list in order that it might be telegraphed to the Embassy. I asked that we be informed of any changes between now and the departure of the repatriates. I said that the Embassy was very much interested in knowing who would be sent. Lee asked me various questions during several calls: would we arrange with Shanghai Garrison Headquarter to meet the plane & take custody of repatriates; an officer & four police would be sent down on the plane; etc. I said that the Shanghai authorities would be informed of the arrival times of planes, and that the Marines would be responsible in flight for the repatriates, so that no guards were necessary. During our interview he mentioned that it was Saturday afternoon and that little could be done, with police off duty, etc. I replied that this was an emergency, and he agreed. Later, by phone, he remarked that he was afraid that urgent orders from the Fonoff might not be delivered until Monday, as the weekend was a holiday. Lee himself gave me the impression of comprehending the importance of the matter, but I suspected that his colleagues were not much impressed. At 7 p.m. Lee said that the Mayor still had not been found; it struck me that he did not sound worried, and I suspect that the Mayor had talked with Lee, but had asked that Lee not mention it.

The final list as given me by Lee was: Carl Ahrens and wife, von Alemann and wife, Geschke, Hirsch, Janisch, von Malsch and wife, Sperber, Jungmann and Woltemade. Lee mentioned to me once during our conversations that General Ting had petitioned for Bock.

gez. R.M.Service

Am Samstagabend, den 23. August, war der Stand der Dinge also so, daß von den zwangsweise zu Repatriierenden nur noch 12 Personen übriggeblieben waren. Ihre Haut gerettet hatten, jedoch nur scheinbar, wie sich zeigen sollte: Bälz, Bock, Dietsch, Düsing, Frinke, Hübotter, Kiesow, Klicker, Ludwig, Müller, Wallmüller. Am Sonntagmorgen, den 24. August, um 5 Uhr früh wurden die oben genannten 12 Personen benachrichtigt, daß sie innerhalb von einigen Stunden ihre Sachen endgültig zu packen hätten und sie bis zum Nachmittag in das Polizeiamt gebracht würden. An sich wußten diese Leute ja, daß sie repatriiert würden, nur der Tag des Aufbruchs kam anscheinend für sie überraschend, wenn ich die vorliegenden Dokumente richtig interpretiere. An diesem Sonntag, um 12.20 mittags, hält Generalkonsul Spiker den Stand der Aktion fest in einer Aktennotiz:

Tsingtao, Sunday, August 24, 1947. 12.20 p.m.

Mr. Samuel Lee, Secretary to the Mayor and in charge of foreign affairs telephoned to report that the Police had begun the round-up of Germans to be repatriated, at 5 a.m. this morning; that all had not yet been brought to Police Headquarters where they will spend the night but that all would be at the concentration point by 3 p.m. today; that they would be given necessary inoculations and certified by the Police and would be delivered to the airfield tomorrow (Monday) morning at 8 a.m. He stated that one old man whose name he could not remember was ill in bed and crippled with rheumatism so would probably not be repatriated. Mr.Lee added that his place among the remainder of twelve from the original list, would be taken by some other person. It is believed that Lee refers to Erich Jungmann, aged 70, from Tsinan. Mr.Lee also confirmed his advices of yesterday as to the removal of the names of Günther Düsing and his son Hermann from the list, at the instance of Garrison Commander Ting Chih-p’an. Lee said that he keeps the Consulate General informed of any further developments.

gez. C.J.Spiker

Vier Stunden später macht Spiker noch einmal eine Notiz:

Sunday, August 24, 1947. 4:40 p.m.

Mr. Lee called to state that in substitution for Erich Jungmann, 70 years of age and sick in bed, the Chinese are repatriating Mrs. Ruy Geschke, the Korean wife of Karl Geschke. Mr.Lee added that Mrs. Geschke was willing to go! gez. C.J.S.
Die entscheidende Wende kam noch an demselben Tag in einer mitternächtlichen Verhandlung, die schließlich doch zwischen Generalkonsul Spiker und Bürgermeister Li zustande kam. Was sich in der Nacht vom 24. auf den 25. August abgespielt hat, ist in einer nicht unterzeichneten Aktennotiz festgehalten, die ganz offensichtlich von Konsul R. Service stammt.
American Consulate General, Tsingtao, Monday, Aug. 25
At 7:10 p.m. Aug. 24 an urgent niact was received from the U.S.Embassy (see file). Mr.Spiker consulted with Admiral Cooke in connection with the proposals contained therein, i.e., that departure ot Tsingtao’s group be delayed pending decision by Fonoff in petition cases, and Admiral Cooke agreed to delay planes‘ departure until afternoon if we required, pending word from Embassy. Mr.Spiker drafted telegram to Embassy, and car was sent to International Club for Sam Lee,with whom matter was discussed here. He agreed immediately to arrange for call on Mayor Lee by the Consul General, and we went there (to the Mayor’s house) about 10.30 p.m.

It was apparent during our interview with Mayor Lee that he knew little if anything of developments in the German repatriation. Sam Lee had to give him a complete summary of what had occurred since Saturday morning. Mayor Lee agreed to send an urgent telegram to the Fonoff, but he stated that there was little hope of speedy action from Nanking. His telegram was to request instructions as to repatriation of those who had filed petitions,and, after inviting suggestions from Mr.Spiker as to the names of persons not on the list whom we believed should be included, he inserted a sentence which read in the following sense: „The American Consulate believes that Nauert, Fischborn, Weitz, Bock and Düsing should also be repatriated“. In the discussion of these persons, Sam Lee confirmed that General Ting had arranged for Bock and Düssing to be taken off the list. He added that it had come to light that Düsing had filed a petition direct with the police instead of with the Mayor’s office, but it was not clear whether the police had forwarded it to Nanking or what had occurred. Sam Lee agreed with us that those who are being sent are the „small potatoes“, oldsters for the most part. I promised to let Sam Lee know just as soon as we heard from the Embassy.

We prepared our telegram of 11 p.m. and this was delivered to CWO, PortFac at midnight. Sam Lee telephoned and said that his phone was beside his bed, and that he was going to sleep. Mr.Spiker telephoned to the Staff Duty Officer on the ESTES and gave him the information that probably the Germans would not be sent at 0900 this morning, but that we were waiting for possible word from the Embassy in reply to our telegram. It was arranged that Drouilhet, the duty officer would telephone the Consul General at 0600 today if there was word received from the Embassy.

The Consul General and I left the office at 1 a.m. and returned soon after 7 a.m. I telephoned to Sam Lee and told him that no word had come from the Embassy,and that therefore we presumed that the Embassy’s proposal (to the Chinese Foreign Office) was adhered to. Lee said that he would hold up the departure of the Germans. When he suggested that they be sent to their homes, I suggested that they remain at the police station at least 9 a.m., and he agreed. I gave the information to Drouilhet, as French was not on board the ESTES at 7.30.

Hier brechen die Akten des früheren U.S. Konsulates in Tsingtau ab. Man kann sich gut vorstellen, daß Sam Li an diesem freien Wochenende öfters mit den Zähnen geknirscht hat, da die schwitzenden und Tag und Nacht schuftenden Amerikaner ihn mehrmals von seiner geliebten Bar im International Club in der Schantungstraße wegzerrten und ins amerikanische Konsulat karrten. Die Antwort vom chinesischen Außenministerium in Nanking ist sicherlich nicht vor dem 26. August eingetroffen, so daß der Abflugtermin, 25. August, 9 Uhr früh, nicht eingehalten werden konnte. Die Leute, die man am Sonntag, den 24. August, bereits zur Polizeistation gebracht hatte (Ahrens, v.Alemann, Geschke, Hirsch, Janisch, Malsch, Sperber, Woltemade) durften am Montag nach 9 Uhr früh wieder nach Hause gehen. Im Laufe des 26. oder 27. August kam dann die endgültige Zustimmung aus Nanking zu der von den Amerikanern vorgeschlagenen Liste, und Donnerstag früh, den 28.August, begann der Abtransport. Für die Familien Fischborn, Nauert, Weitz, Herrn Dammers und Frl. Dr. Grzywacz kam die Ausweisung wie ein Blitz aus heiterem Himmel, denn sie hatten ja bis dahin gar nicht auf der Liste gestanden. Aber auch die Familien Bälz, Dietsch, Düsing, Frinke, Ludwig sowie die Herren Bock und Hübotter hatten wohl nicht mehr mit einer Repatriierung gerechnet, denn sie hatten ja Petitionen eingereicht, und Sam Li hatte noch am Samstagnachmittag gesagt, der Bürgermeister habe entschieden, wer eine Petition abgegeben habe, müsse nicht fahren. Das Ministerium in Nanking hat also die Entscheidung des Tsingtauer Bürgermeisters überstimmt. Nur Prof. Hübotter gelang es, die Amerikaner zu überlisten. Er war bereits abtransportiert worden, bekam aber plötzlich hohes Fieber und wurde wieder nach Hause geschickt. Als Mediziner wußte er, wie man es anstellt, zum gewünschten Zeitpunkt „hohes Fieber“ zu erzeugen. Die genannten Familien mußten innerhalb von zwei Stunden ihre Sachen packen, wurden zum Polizeipräsidum gefahren, wo sie übernachteten, und am 29. August 1947 wurden alle Betroffenen per Flugzeug nach Shanghai gebracht. Auf dem dortigen Flughafen mußten sie bei hochsommerlicher Hitze stundenlang warten – ohne Essen und Getränke. Am Abend des 29.8. dann der Abtransport auf Lastwagen, unterwegs wurden diese von Chinesen mit Steinen beworfen, am Hafen ging es mit Barkassen auf das Schiff. Dort standen bis auf die Zähne bewaffnete U.S.Soldaten und der Major brüllte die Gruppe an:“Wer es wagt zu fliehen wird sofort erschossen!“

Von den im Rundschreiben vom 2.August genannten Personen wurden, abgesehen von denen, die sowieso nicht in Tsingtau waren, nicht repatriiiert: das Ehepaar Carl Ahrens, Frau Bock, Frau Klicker und ihre Söhne Hellmut und Erich, Prof. Hübotter, Herr Jungmann. Auch Wallmüller und das Ehepaar Müller sind offenbar in Tsingtau geblieben.

Folgende Familien und Personen wurden am 28./29. August 1947, nach meinem derzeitigen Kenntnisstand, zwangsweise aus Tsingtau repatriiert:

Wilhelm u. Hertha Bälz, 43 u. 34 J.
(Kinder: Wilhelm 12, Werner 10, Maria 6 J.)
Richard Bock, 63 J.
Arnold Dammers, 33 J.
Heinrich u. Marga Dietsch, 44 u. 34 J.
(Kinder: Peter 5, Klaus 3 J.)
Günther Düsing u.Sohn Hermann, 45 u.13 J.
Hans u. Dominika Fischborn, 52 u. 51 J.
(Kinder: Carola 17, Hans 14, Dominika 7 J.)
Bruno u. Maria Frinke, 54 u. 47 J.
(Kinder: Bruno 20, Brigitte 17, Uwe 11,Ute 8 J.)

Dr.Margot Grzywacz, 46 J.

Anton Hirsch, 54 J.
Gertrud Janisch, 41 J.
Dr.Karl und Lotte Ludwig, 61 u.50 J.
Anatol und Tamara Malsch, 61 u. 48 J.
Fritz u. Emilie Nauert, 47 u. 50 J.
(Kinder: Thies 15, Dierk 5 J.)
Carl und Ruy Geschke, 52 u. 47 J.
Walter Sperber, 35 J.
Franz u. Emma Weitz, 55 u. 48 J.
Töchter: Ilse 22, Gerda 18 J.
Heinrich Woltemade (aus Shanghai)

Die „General Black“ verließ am 23.8.1947 Yokohama mit den Japan-Deutschen, die repatriiert wurden, und segelte nach Shanghai, um dort die China-Deutschen aufzunehmen. In der Sammlung des „Studienwerks Deutsches Leben in Ostasien e.V.“ befindet sich eine Liste der 524 China-Deutschen, die auf der „General Black“ nach Deutschland fuhren. 471 von ihnen wurden „zwangsweise“ repatriiert, 53 fuhren freiwillig mit. Die Liste enthält in bezug auf die Tsingtau-Deutschen einige Überraschungen. So werden z.B. die in dem Schreiben der Deutschen Nothilfe vom 2.August unter Punkt 2 vorgeschlagenen 15 Personen nicht erwähnt, sie sind offenbar alle in Tsingtau zurückgeblieben. Unter den Freiwilligen, die mitgehen, werden dagegen ganz andere Tsingtauer genannt, nämlich Frau Anni Boosen, 54 J., und Krankenschwester Elise Fischer, 51 J. Auf der Liste fehlen auch Carl und Martha Ahrens, 72 und 61 J., obwohl in den Tsingtauer Akten von einer Freistellung nirgends die Rede ist. Deren Sohn Gustav und seine Familie, die inzwischen in Shanghai wohnte, werden in dem Verzeichnis genannt, wie auch Richard Bock, David Kiesow, Dr. Margot Grzywacz, Frau Renate Hensel (geb. Lochte), Günther Düsing und Sohn Hermann., sowie Dr. Helmut Schwabe (dessen Frau und Kinder nach Chile gingen). Die Freistellung durch General Ting Ch’ih p’an, wie oben dargestellt, scheint also nicht wirksam gewesen zu sein. Man darf jedoch vermuten, daß nicht alle Personen, die auf der Shanghaier Liste vom 31. August stehen, auch tatsächlich mitgefahren sind, diese also eine gewisse Fehlerquote enthält.

Zum Schluß sei noch das Schicksal eines Tsingtauers erzählt, der auf die exotischste Weise auf die „General Black“ geraten ist. Karl-Heinz Ludwig, 1925 in Tsingtau geboren als Sohn von Dr. Karl Ludwig, dem Direktor der Mineralwasserfabrik „Iltisbrunnen“ (heute Laoshan Mineralwasser), war von Ende 1943 bis 1947 in Japan. Im Sommer 1947 hörte er, daß ein Repatriierungsschiff namens „General Black“ von Japan über Shanghai nach Deutschland fährt. Er hielt dies für eine Möglichkeit, über Shanghai nach Tsingtau zu gelangen. Sein Ansuchen, bis Shanghai mitfahren zu können, wurde abgelehnt mit der Begründung: „Entweder ganz mitfahren oder zurückbleiben, unterwegs aussteigen geht nicht.“ Am 23.8.1947 winkte er in Yokohama einigen Freunden nach, die mit der „General Black“ Japan verließen. Anschließend ging er zu einer U.S. Schiffahrtslinie und buchte auf der „Marine Adder“ eine Passage nach Shanghai für den 26.8. An Bord zahlte er dem Purser U.S. $ 68.- für das Ticket. Ein U.S.Militärpolizist wollte daraufhin von ihm wissen, wieso er Dollars besäße, denn das war Ausländern in Japan verboten. Geistesgegenwärtig fiel Karl-Heinz die Ausrede ein: „Colonel Williams, a friend of my father, borrowed me the money.“ Der Polizist war ratlos und ließ ihn ziehen. Natürlich war das Geld auf dem Schwarzmarkt besorgt worden. Am 28.8. in Shanghai angekommen, telefonierte Karl-Heinz mit Bekannten und erfuhr, daß seine Eltern gar nicht mehr in Tsingtau seien, sondern auf der „General Black“ in Shanghai. Er ging daraufhin zum U.S. Konsulat, wo sich der Transport Commander, ein Major Evans, aufhalten sollte. Diesen traf er auch an und bat ihn, seinen Vater an Bord sprechen zu dürfen, da er seit Kriegsende nichts mehr von ihm gehört habe. Das wurde abgelehnt mit der Begründung, das Schiff liege mitten im Fluß. Wenn er wolle, könne er aber mitfahren, obwohl gegen seine Person nichts vorliege und er, da in China geboren, als ‚Chinese subject‘ hier bleiben könne. Karl-Heinz entschloß sich mitzureisen. Er holte seinen Koffer, der noch auf der „Marine Adder“ stand, und fuhr zum Lager in Hongkew, wo die zu repatriierenden Shanghaier schon seit Tagen auf die Einschiffung warteten. Man ließ ihn aber nicht in das Camp. Der chinesische Lagerleiter war überfordert, daß einer, aus Japan kommend, unbedingt interniert werden wollte. Nach mehreren Telefonaten mit dem U.S. Konsulat wurde er schließlich doch aufgenommen. Am 31.August ging es auf Lastwagen zum Hafen, und auf dem Schiff traf er nach 4 Jahren Trennung seine Eltern wieder, außerdem die Freunde aus Japan, denen er am 23.8. in Yokohama Adieu zugerufen hatte. – Der Transport traf am 2.Okt.1947 in Bremerhaven ein und in Güterwagen wurden alle nach Ludwisburg gebracht in die dortigen Internierungslager.