Weischer, Dr.med. Paul (1877 – 1946), Marinestabsarzt und Chefarzt des Faberkrankenhauses

Paul Weischer (kathol.) wurde am 15.7.1877 in Köln geboren. Am 1.4.1899 zur Reichsmarine, Karriere als Marinearzt. Wurde 16.10.1909 als Marinestabsarzt an das Lazarett in Tsingtau versetzt. Um 1913/14 herum heiratete er Margret Ziesau (* Bremen 25.4.1885, Ev.). Als der Krieg im August 1914 begann, ging die schwangere Frau Weischer nach Tsinan, wo am 24.3.1915 der Sohn Hans-Joachim geboren wurde. Weischer war während der Belagerung in den Hilfslazaretten Seemannsheim und Katholische Mission eingesetzt. Nach dem 7.11. 1914 hätte er Tsingtau verlassen können, wie es alle anderen Marineärzte auch getan haben, aber offensichtlich haben die Japaner darauf bestanden, dass mindestens ein Marinearzt dort bleibt, um die noch dort wohnenden deutschen Frauen und Kinder zu betreuen. So blieb Weischer in Tsingtau, außer ihm gab es nach dem 7.11.1914 nur noch den Missionsarzt des AEPM, Dr.Adolf Eyl, der im April 1911 nach Tsingtau gekommen war. Er war Leiter des Faberhospitals für Chinesen und des europäischen Faberkrankenhauses. Das Faberhospital war bei Kriegsbeginn geschlossen worden. Eyl jedoch kündigte dem AEPM am 31.11.1915 und verließ Tsingtau am 2.12.1915, um einen Schiffstransport von deutschen Frauen und Kindern nach Deutschland zu begleiten. Dort wurde er im Militärdienst eingesetzt und ist gefallen.

Weischer übernahm also seit Dezember 1915 die Leitung des Faberkrankenhauses und nahm diese bis 1935 wahr! Von Dez. 1915 bis gegen 1930 war er mehr oder weniger der einzige deutsche Arzt in Tsingtau. Angeblich haben die Japaner das Faberkrankenhaus, das Eigentum eines eingetragenen Vereins gewesen war, dem Weischer geschenkt! Die Japaner wollten nach dem 7.11.1914 so wenige Deutsche wie möglich in Tsingtau haben. Die meisten Männer waren von Nov. 1914 bis Jan. 1916 sukzessive nach Japan in die Kriegsgefangenschaft abgeführt worden. Es durfte bis Ende 1919 kein Deutscher nach Tsingtau kommen. Wenn jemand es illegal versucht hatte, wurden er und seine Familie sofort aus der Stadt gewiesen. Es hat nur 2 Ausnahmen gegeben. Da Weischer auf Anordnung der Japaner in Tsingtau hatte bleiben müssen, durfte er 1915 seine Frau und Sohn aus Tsinan nach Tsingtau bringen. Der Sohn Hans-Joachim wurde am 23.7.1916 durch Richard Wilhelm evangelisch getauft. Einer der Paten war Gouverneur a.D. Meyer-Waldeck. (Die andere Ausnahme war Missionar Richard Wilhelm, der als Rotkreuz-Vertreter einen gewissen „internationalen“ Status hatte. Er durfte 1916 seine Frau, die 4 Söhne und Schwägerin Hanna Blumhardt aus Shanghai nach Tsingtau zurückholen, sie hatten anlässlich des Kriegsbeginns Tsingtau im August 1914 verlassen und waren ch Shanghai gegangen.

Von Jan. 1916 bis Jan. 1920 lebten noch ca. 340 Deutsche in Tsingtau: 180 Kinder, 135 Frauen und 26 Männer. Als dann im Frühjahr 1920 die Kriegsgefangenen von Japan nach Deutschland gebracht wurden, folgten ihnen die meisten Frauen und Kinder aus Tsingtau, so dass ab Sommer 1920 nur noch ein paar Dutzend Deutsche dort wohnten. Bis ca. 1930 war Weischer mehr oder weniger der einzige deutsche Arzt in Tsingtau. Um diese Zeit holte er sich als Partner Dr. Hans Schmidt aus Hamburg, und die Ostasienmission (Leitung: Dr. phil. W. Seufert) engagierte den Arzt und Sinologen Prof. Dr.med. Fritz Hübotter (seine Biographie in www.tsingtau.org). Anfang der 1930iger Jahre wurde das Gebäude des Faberkrankenhauses vergrößert, es kam zu einer spiegelbildlichen Verdopplung der primären Bausubstanz. Die Bauleitung hatte der Architekt Paul Friedrich Richter.

1935 schließlich beschloss Weischer, nach Deutschland zurückzukehren. Es ist nicht bekannt, in welcher Stadt er zunächst lebte. Als 1939 der 2. Weltkrieg begann, wurde in Bordesholm (Holstein) in einer ehemaligen Druckerei ein Marinelazarett eingerichtet. Weischer wurde dort mit dem Titel „Flottenarzt“ als Chefarzt eingesetzt, bis 1945. Als Krankenschwestern waren dort die Flensburger Diakonissen engagiert.
Nach dem Kriege wirkte Weischer als stellv. Chefarzt am Kreiskrankenhaus Niebüll. Er wohnte mit seiner Frau im Hospital, wo ebenfalls die Flensburger Diakonissen bei der Pflege und im Operationsdienst eingesetzt waren. Leider musste er hier erleben, dass 1947 sein Sohn Dr.med. H.J.Weischer sich auf Sylt seinem Leben selbst ein Ende setzte. Nur ein Jahr später, am 21.4.1948, starb Weischer überraschend nach einer Operation im Krankenhaus der Diakonissenanstalt in Flensburg. Auf dem Friedhof zum Friedenshügel in Flensburg wurde er begraben. Auf dem Grabstein stehen zunächst die dänischen Worte: „I Herrens händer“ (In des Herrn Händen), und darunter der Horaz Vers: „Nocturna versate manu versate diurna“.

Frau Margret Weischer zog 1948 nach dem Tode ihres Mannes von Niebüll nach Flensburg, wo sie im Altersheim der Flensburger Diakonissen wohnen durfte, bis zu ihrem Tode dort am 10.2.1965.

(Quellen: Kirchenbuch der Dt. Evangel. Gemeinde Tsingtau; Briefliche Mitteilung des Pastors Thomsen in Flensburg aus dem Jahre 1980; Hermann Neukamp in: Deutsches Eck, Heft 6, S. 5 (Dez.1980) )


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