Kroebel, Ernst (1853-1925), Kaufmann, und Emma Kroebel (1872-1945), Schriststellerin

Nachdem im November 1897 das Kiautschougebiet von den Deutschen durch ein aus Matrosen bestehendes Landungskorps besetzt worden war, wurde zum dauernden Schutz des Territoriums das 3. Seebataillon gebildet und im Dezember 1897 zur Kiautschou-Bucht geschickt, wo es Ende Januar 1898 eintraf. Kommandeur des Bataillons war Major Kopka von Lossow. Er war befreundet mit dem Hauptmann a.D. Ernst Kroebel und forderte ihn auf, mit nach China zu kommen und das Kantinenwesen für die dortige Garnison einzurichten und zu betreiben. Kroebel stimmte dem Vorschlag seines Freundes Kopka von Lossow zu, schloss sich dem Transport des Bataillons an und landete auf diese Weise mit ihm zusammen Ende Januar 1898 in Tsingtau. Er richtete diverse Kantinen ein und ließ sich als Kaufmann registrieren.

Vorgeschaltet seien zunächst einige biographische Daten. Ernst Kroebel wurde 1853 geboren und trat 1872 mit 19 Jahren als Fahnenjunker in das Schleswigsche Infanterie-Regiment Nr. 84 ein. Bis in die neunziger Jahre gehörte er der Armee als Hauptmann und Kompaniechef an. Schon während dieser Zeit trieb es ihn zu Reisen nach Italien, Spanien, der Türkei usw. Er nahm aber recht früh seinen Abschied, da ihn der Militärdienst mal in dieser, mal in jener kleinen Garnisonstadt auf die Dauer langweilte. Die Aufforderung, nach Tsingtau zu kommen, muss deshalb für ihn reizvoll gewesen sein.

Im Firmenverzeichnis des ersten Adressbuches von Tsingtau vom 15.1.1901 heißt es: „E. Kroebel. Import von Kantinenartikeln sowie Luxus- und Gebrauchsartikeln für Civil und Militär. Inhaber: Kaufmann E. Kroebel, Hauptmann a.D., wohnt im Kroebel’schen Haus. Bevollmächtigter am Platz: J.Walter, M.Baldow. Geschäftslokal: westlich des Brückenlagers an der Aussenrhede. Filiale: Peking.“

Nach 3 Jahren hatte Kroebel offensichtlich das Bedürfnis, sich eine Frau nach dort zu holen.

1901 fährt er nach Deutschland und heiratet am 5.11.1901 Emma Kosegarten. Sie wurde am 6.7.1872 auf Gut Drült in Nordschleswig geboren als Tochter des Gutspächters Carl Kosegarten und der Margaretha Catharina Kühl.  Mit seiner Frau Emma fährt er anschließend über die USA und Japan nach Shanghai und von dort nach Tsingtau.

Ernst Kroebel hat sich in Tsingtau am Kaiser-Wilhelm-Ufer, also direkt am Ufer des Gelben Meeres, ein Grundstück gekauft und dort sein Wohn- und Geschäftshaus gebaut. Auf der Katasterkarte von 1902 ist die Lage seines Grundstücks eingezeichnet.

Aus dem Adressbuch von 1902 (Stand vom 18.9.02) ist zu ersehen, dass Kroebel nun einen Kompagnon in seiner Firma hat, dementsprechend heißt es nun im Firmenverzeichnis: „E. Kroebel & Co. Importgeschäft. Filialen Peking, Kiautschou, Kaumi. Inhaber: Ernst Kroebel und Joh. Walther. – Max Baldow, Prokurist. Friedrich Jann, Anton Scheuermann, Wilhelm Hinney. Ludwig Kölsch in Peking.

Der Eintrag im Adressbuch von 1903 ist fast derselbe wie im Jahre 1902, nur sind F. Jann und W. Hinney inzwischen ausgeschieden, neu als Angestellter ist Ludwig Ritter.

Laut Eintrag im Adressbuch von 1905 hat die Firma die Filialen in Peking, Kiautschou und Kaumi aufgegeben und als einzige Filiale eine in Tsinanfu. Das hängt damit zusammen, dass im Juni 1904 der Bau der Eisenbahn nach Tsinan beendet wurde, die Stadt also nun bequem per Bahn zu erreichen war. Es gibt nur noch 2 Angestellte: A. Scheuermann, Commis und H. Rutz, Commis.

Im Jahre 1905 erhielt Emma Kroebel ein ungewöhnliches Angebot. Am koreanischen Kaiserhof hatte seit 1896 ein Frl. A. Sontag, eine Deutsche, die Position einer Zeremonienmeisterin inne. Sie plante nun, einen Jahresurlaub in Deutschland zu verbringen und es erhob sich die Frage, wer sie vertreten könnte. Aufgrund geschäftlicher Beziehungen von Ernst Kroebel nach Korea und wohl auch wegen der Fürsprache des Tsingtauer Gouverneurs Truppel, der gute Beziehungen zu Frl. Sontag hatte, fiel die Wahl auf Emma Kroebel, welche diese auch annahm. Während ihr Mann in Tsingtau blieb, verbrachte sie ein Jahr als Hofdame am koreanischen Kaiserhof, von August 1905 bis Herbst 1906. Sie fuhr dann nach Tsingtau zurück und ihr Mann gab am 7.11.1906 das Geschäft in Tsingtau auf. Er verkaufte das Grundstück und Haus und seinen Firmenanteil an seinen Kompagnon Johann G. Walther, der das Importgeschäft nun unter dem Namen „J. Georg Walther“ fortführte. Der chinesische Name der Firma: „Li dschung yang hang“ blieb derselbe. 1907 hatte J.Walther keine Filiale mehr in Tsinan und nur einen Angestellten, den Kaufmann Paetow.

Im Nachruf auf Kroebel in der Ostasiatischen Rundschau wird hervorgehoben, dass er sich besondere Verdienste um die Erforschung und Erschließung des Laoshan erworben hat. Er war einer der ersten, der dort die Berge durchstreifte und wird so der Mitgründer des „Bergvereins“ gewesen sein, der im Laufe der Zeit systematisch Wanderwege dort anlegte. In verschiedenen Orten des Gebirges richtete Kroebel Konserven- und Getränkedepots ein. Zusammen mit dem damaligen Hauptmann von Falkenhayn (dem späteren preußischen Kriegsminister) fasste er den Gedanken, die Irenebaude zu bauen. Diese erste Baude wurde allerdings durch einen Sturm fortgeweht. Die zweite Irenebaude wurde dann aus Granitsteinen errichtet. Zur Verwirklichung all dieser Pläne opferte Kroebel aus eigenen Mitteln erhebliche Summen.

Der Nachruhm von Emma Kroebel besteht darin, dass sie Ihre Erlebnisse in Ostasien aufgeschrieben und 1909 als Buch veröffentlicht hat unter dem Titel: „Wie ich an den Koreanischen Kaiserhof kam. Reise-Eindrücke und Erinnerungen.“ Berlin 1909, Verlag von R. Jacobsthal & Co. Der Titel ist etwas irreführend, denn das Buch beschreibt nicht nur den einjährigen Aufenthalt in Korea 1905-06, sondern auch sehr ausführlich die Ausreise von Deutschland über die USA und Japan und Shanghai nach Tsingtau. Im Mittelteil berichtet sie vom Aufenthalt in Tsingtau von 1902 bis 1905, ein interessanter Text, denn Schilderungen des damaligen Alltagslebens in Tsingtau aus weiblicher Sicht gibt es nur wenige. In einem Extra-Kapitel wird erzählt, wie die Chinesen das Neujahrsfest ( nach dem Mondkalender) begehen. Der dritte Teil schließlich bringt eine Schilderung ihres Aufenthaltes in Korea. Das Buch enthält eine ganze Reihe von Fotos, fast alle zeigen Szenen in Korea. Ihr Buch erschien 1909. Was sie nicht ahnen konnte: nur ein Jahr später erzwangen die Japaner die Abdankung des koreanischen Kaiserhauses und Korea wurde japanische Kolonie. Emma Kroebels Darstellung des koreanischen Hoflebens war nun schon Geschichte.

Laut Nachruf in der Ostasiatischen Rundschau sollen die beiden Kroebels 1910 nach Deutschland zurückgekehrt sein. Tsingtau haben sie allerdings spätestens im Frühjahr 1907 verlassen. Vielleicht haben sie sich bis 1910 in einem anderen Teil Ostasiens aufgehalten.

Das Paar ließ sich in Berlin nieder. Es hatte keine Kinder. Als der Weltkrieg ausbrach, stellte sich der 62jährige zur Verfügung. Er wurde zum Major befördert und kämpfte als Bataillons-Kommandeur in Russland. Er erlitt eine schwere Verwundung. Obwohl ihm der rechte Arm abgenommen wurde, drängte er solange beim Heereskommando, bis er wiederum zum Dienst in der Etappe dicht an der französischen Front verwendet wurde. Hier machte er den Schluss des Krieges und den Rückzug mit. Am 16. Mai 1925 ist Ernst Kroebel in Berlin gestorben.

Emma Kroebel, geb. Kosegarten, wurde am 6.7.1872 auf Gut Drült in Nordschleswig geboren. Sie heiratete am 5.11.1901 den Kaufmann Ernst Kroebel. Am 25.2.1945 ist sie gestorben, sehr wahrscheinlich in Berlin.

(Verwendete Quellen: Tsingtau Adressbücher von 1901-1907; Genealogische Daten der Familien Kosegarten und Kühl; Nachruf auf Ernst Kroebel in der „Ostasiatischen Rundschau“, 1925, Seiten 139-140.)