Doenitz, Paul, Dr.phil., (1866 – 1955) Gymnasialprofessor

Geb.: 05.10.1866 in Trebnitz an der Saale; gest. 08.01.1955 in Erfurt.

(Diese biographische Skizze wurde verfasst von Dietrich Doenitz und Wilhelm Matzat)

Paul Julius August Dönitz war das erste Kind des Gutsbesitzers Johann Karl Julius Dönitz und seiner Ehefrau Pauline Friedericke.

Nach dem Besuch der Dorfschule wechselte er 1878 an die Lateinische Hauptschule der Franckeschen Stiftungen in Halle, wo er 1887 sein Abitur ablegte.
 
Es folgte das Studium in den Fächern Geschichte, Geographie und Germanistik in Tübingen, Kiel, Berlin und Halle.  Am 31.10.1891 promovierte er in Halle im Fach Geschichte zum Dr.phil. mit der Dissertation: „Über Ursprung und Bedeutung des Anspruches der Päpste auf Approbation der deutschen Königswahlen.“ (63 S.). Nach abgelegtem Staatsexamen (24. Juli 1893) leistete er das Seminar- und Probejahr an den Königlichen Gymnasien zu Danzig und Strassburg i.Westpreußen ab.


 
Da in Deutschland nach Abschluss seines Studiums trotz Promotion keine Anstellung zu erhalten war, nahm er eine Stelle als Hauslehrer in Spanien an (Oviedo, 12/1895 – 04/1898). Letztlich kam ihm das entgegen, da zum einen die Bezahlung besser war und er zum anderen seinen unbändigen Reisedrang befriedigen konnte. Jede Gelegenheit und jede verdiente Mark wurde für Reisen genutzt.
 
Es folgten weitere Hauslehrerstellen im Zwei-Jahresrhythmus über ganz Europa verteilt (u.a. in Lodz, Polen). Er lernte Spanisch und Italienisch. Erst im Alter von 34 Jahren gelang es ihm, eine Stelle in Sangerhausen zu ergattern, als wissenschaftlicher Hilfslehrer am dortigen Gymnasium (von Ostern 04/ 1900 bis 03/1902). Von dort wurde er am 1. April 1902 nach Lippstadt in Westfalen berufen und im Herbst als Oberlehrer angestellt (04/1902 bis 10/1903). Das geordnete Leben in deutschen Kleinstädten sagte dem inzwischen fast zum Weltbürger gereiften jungen Mann überhaupt nicht zu.
 
Die Bewerbung (1903) an die Kaiserliche Gouvernements-Schule in Tsingtau im Schutzgebiet Kiautschou ist somit nachvollziehbar. Sie war erfolgreich, am 8.5.1903 fährt er nach Berlin und bespricht im Reichsmarineamt mit Admiral Max Rollmann seine Aufgaben in Tsingtau. Der Haken dabei: Diese Stelle wurde nur an verheiratete Bewerber vergeben. Die Damenwelt hatte aber in seinem bisherigen Leben überhaupt keinen Platz – schon allein aus Kostengründen. Die Verlockung dieser einmaligen Gelegenheit führt zu einer fast drehbuchreifen Lösung des Problems.
 
Es war damals üblich, dass die heiratsfähigen so genannten höheren Töchter in diversen Kaffeekränzchen verkehrten und dort „Hofstaat“ hielten. In solch einer Runde in Sangerhausen taucht der 36jährige Dr. Dönitz, ausgerüstet mit allen Angaben über seine jetzige und zukünftige finanzielle Situation und das zu erwartende Leben auf. Ohne Umschweife kommt er auf den Punkt: Er braucht sofort eine Frau, die mit ihm nach China geht.
 
Man kann es kaum glauben – er lernt so die 18jährige Gertrud Flügel kennen, die beiden sind sich sympathisch. Der Hochzeit am 16. November 1903 in Sangerhausen folgt die Abreise nach Asien. Gleich vorweg: Trotz des großen Altersunterschieds hält diese Verbindung das ganze Leben, durch zwei Weltkriege hindurch und es gehen drei Kinder aus ihr hervor.
 
Die Zeit in China ist prägend für das weitere Leben. Nach außen sichtbar wird das durch die Änderung der Schreibweise seines Familiennamens. Er übernimmt die englische Version mit „oe“ und behält sie auch nach der Rückkehr nach Deutschland bei.  (Siehe auch: http://www.doenitz.com/spell_deu.html  ).
 
Im Internet findet man noch Spuren aus der Anfangszeit.

Deutsche Bürger in Tsingtau hatten 1899 eine Schule gegründet, es zeigte sich aber im Laufe der Zeit, dass die Bürgergemeinde finanziell nicht in der Lage war, die Schule zu unterhalten und weiter auszubauen. Deshalb übernahm die Verwaltung ab 1.4.1902 sie als „Gouvernements-Schule“, sie hatte zu dem Zeitpunkt 29 Schüler und Schülerinnen. Da gleichzeitig das Heilig-Geist-Kloster eine Mädchenschule eingerichtet hatte, wurde die Staatsschule als Knabenschule weitergeführt und zu einem Reform-Realprogymnasium ausgebaut, das nur bis zum Einjährigen führte. Ab 1907 wurden dann doch wieder Mädchen auch in die höheren Klassen aufgenommen, so dass an der Schule in Tsingtau de facto Koedikation herrschte. An dieser Schule hat Dr. Paul Doenitz von Januar 1904 bis Frühjahr 1914 unterrichtet, am 27.12.1909 erhielt er das Prädikat „Professor“.

Neben seiner Lehrtätigkeit hatte Doenitz gleich von Anfang an bis zum Schluss noch ein weiteres Amt zu übernehmen, nämlich die Leitung der sog. Kiautschou Bibliothek, in der jedermann Bücher ausleihen oder die dort ausliegenden Tageszeitungen aus Deutschland lesen konnte. Diese Bibliothek war seit 1906 in einigen Räumen des Gouvernements-Dienstgebäudes untergebracht.

Dem Ehepaar Doenitz wurden in Tsingtau 2 Kinder geboren: am 13.09.1904 kam Charlotte Luise A-lien zur Welt, starb aber 3 Tage später. Am 13.03.1911 wurde Dietrich Ernst Jungtsing geboren.

Die Doenitzfamilie hat zwischen 1904 und 1914 in 3 Wohnungen gelebt. Die erste war ein Apartment im Alumnat in der Friedrichstraße, das damals von dem Elementarlehrer Robert Berger geleitet wurde. Am 1.4.1905 bezog man eine Wohnung in der Prinz Heinrich Straße 25 im Hause des Kaufmanns Gottfried Landmann. Dieser hatte im Erdgeschoss seinen Juwelier- und Optiker-Laden und wohnte im 1. Stock, Doenitz offensichtlich im 2. Stock. Von 1907 bis 1914 wohnten die Doenitzens in der Kronprinzenstraße 13, in einem Haus, das dem Architekten und Immobilienhändler Alfred Siemssen gehörte, der direkter Nachbar war.
[Von den 3 Häusern, in denen die Familie Doenitz gelebt hat, sind zwei noch vorhanden. Das Alumnat ist schon seit langem abgerissen, aber das Landmann Haus (jetzt Guangxi Road 27) und das Siemssen Haus (Hubei Road) stehen noch.]

Paul Doenitz hat die jeweilige Schulferienzeit natürlich zu ausgedehnten Reisen in Ostasien benutzt.
In seiner Autobiographie beschreibt er die Orte und Regionen, die er besucht hat: Tschifu, Weihaiwei, Tsinanfu, Taishan, Taianfu, Poshan, Peking und Große Mauer. Mit seiner Frau besuchte er ab Juli 1908 Japan. Sie fuhr im September 1908 über Sibirien nach Deutschland. Im April 1909 bereiste er die Mandschurei (mit Port Arthur und Dairen), dann im Juli 1909 Japan, von wo er nach USA und Deutschland weiterfuhr. Anfang 1910 kehrten dann beide per Schiff nach Tsingtau zurück. (Von der Transsibirischen Eisenbahn sind noch Fahrkarten vorhanden und sogar ein Abteilschlüssel.) Keine Strecke, kein Umweg war zu weit, keine Reiseroute wurde zweimal benutzt. Dies ist der Hintergrund für die „Entstehung“ eines Satzes, den seine Schüler später im Geographieunterricht immer wieder zu hören bekommen: „… bin zufällig mal dagewesen.“ 

Von Paul Doenitz Planung her wäre er wohl noch viele Jahre in Tsingtau geblieben. In seiner Autobiographie von 1949 bezeichnet er den Aufenthalt dort als die schönste Zeit seines Lebens. Der 1. Weltkrieg jedoch beendete die deutsche Präsenz dort. Die Familie Doenitz hatte im März 1914 Tsingtau zu einem Heimaturlaub (via Sibirien) verlassen. Nach der Besetzung Tsingtaus beschlagnahmte Japan das deutsche Eigentum. Die Familie Doenitz, die ja nur auf Urlaub die Stadt verlassen hatte, wird die dortige gesamte Wohnungseinrichtung und Büchersammlung verloren haben. Die Familie landet nahezu mittellos in Erfurt, er erhält eine Stelle am Gymnasium.
 
Über die Erfurter Jahre schreibt Johannes Biereye in einer Würdigung zum 70. Geburtstag in der „Thüringer Allgemeine Zeitung“ am 4. Oktober 1936 unter dem Titel „Geograph aus eigener Anschauung“:
 
„Wie sollte man ihn verwenden, als man erkannte, daß Tsingtau nach Einnahme durch die Japaner für ihn nicht mehr in Frage kam? Zunächst beschäftigte man ihn einige Wochen aushilfsweise am Friedrich-Werderschen Gymnasium in Berlin, dann aber auf seinen Wunsch in seiner Heimatprovinz und zwar am Gymnasium in Erfurt. An dieser Schule hat er nun von allen Wirkungskreisen sich am längsten betätigt von Ostern 1915 bis 1932, also 17 Jahre. An ihr konnte er sein reiches Wissen zur Geltung bringen. … Daß er hierbei die eigene helle Begeisterung .. seinen Schülern mitzuteilen wußte, das hat ihm wohl in erster Linie die Herzen der Jugend gewonnen. … Da war es zu verstehen, daß seine Schüler ihm ihre Verehrung gern bei jeder Veranlassung zu bezeugen suchten, so bei seiner Silbernen Hochzeit 1928, wo sie ihm einen Fackelzug brachten, so auch an dem Tag seines Abschiedes von der Schule.“
 
In der Zeit wischen 1921 und 1938 findet man regelmäßig Aufsätze hauptsächlich über die politische Entwicklung in Asien wie auch über Persönlichkeiten der Erfurter Geschichte in der Thüringer Allgemeinen. 
 
1918 wurde er Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften, an der er mehrere Vorträge hielt. Man findet ihn auch bis in hohe Alter als aktives Mitglied in diversen Vereinen. Wegen seiner Fähigkeit, seine Gedanken präzise formulieren und jederzeit selbst „trockene“ Themen mit eigenen Anschauungen verquickt lebendig ausdrücken zu können, war er ein gern gesehener Festredner zu allen möglichen offiziellen Anlässen.
 
Er starb am 08.01.1955 im hohen Alter an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruches.  

 Paul Doenitz Ehefrau, Gertrud Flügel, wurde am 06.07.1884 in Sangerhausen geboren. Sie war die Tochter des Gasanstaltsdirektors Friedrich Carl Flügel und und dessen Ehefrau Clara Emma Emilie, geborene Schröder.
Sie starb am 29.10.1967 in Sondershausen.
 
Die Tochter Charlotte Luise Doenitz geboren am 13. September 1904 in Tsingtau starb bereits drei Tage später. Der älteste Sohn Dietrich Doenitz, geboren am 13. März 1911 ebenfalls in Tsingtau, starb am 02.10.1943 an den Folgen einer Kriegsverletzung, die er sich in Sardinien zugezogen hatte, im Lazarett in Offenburg. Er war Reichsbahnrat.
 
Das 3. Kind, Gerhard Doenitz, wurde am 27.09.1919 in Erfurt geboren. Er wirkte bis zu seinem Tode am 28.11.1986 als praktischer Arzt und Geburtshelfer in Sondershausen.
 
Die gesamte Familie fand ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof in Sondershausen.
 
Quelle:

a) Handschriftliche autobiographische Aufzeichnungen von Paul Doenitz aus den Jahren 1948 bis 1950.

b) 11 gedruckte „Jahresberichte der Kaiserlichen Gouvernements-Schule zu Tsingtau“ 1903/04 bis 1913/14.

c) Ein Aufsatz von Wilhelm Matzat: „Die deutsche ‚Kaiserliche Gouvernements-Schule’ in Tsingtau 1899 – 1920, ein Reform-Realprogymnasium“, in: Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte, 2. Jahrgang, Heft 3/2002, Seite 69-88.